12. Januar 2018

Der Logan Paul Skandal auf youtube und die Kunst, gute Entscheidungen zu treffen

Zum gutklarkommen braucht es gute Entscheidungen
Ich kannte Logan Paul nicht. Bis zu den Schlagzeilen Anfang 2018. Er hat eine Entscheidung getroffen, die ihn angeblich jetzt womöglich viel Geld kostet: Er hat ein Suizidopfer benutzt.

Aber der Reihe nach. Als jemand, der professionell Menschen begleitet, interessiert es mich natürlich, wieso jemand schlechte Entscheidungen trifft.

Kann die Psychologie hier helfen? Spoiler-Alarm: Sie kann! Lesen Sie hier, was Sie bei Ihren Entscheidungen beachten müssen!
Und nebenbei: Willkommen im Neuen Jahr (auch wenn das angesichts des Themas etwas komisch klingt)

Nur kurz zu Logan Paul und sein Suizid-Opfer

Logan Paul, ein (anscheinend) 22jähriger youtuber, der mit seinen prank-und-ich-generiere-Blödsinn-Videos (angeblich) Millionär geworden ist, hat eine für ihn folgenreiche Entscheidung getroffen:

Der Fall
Im Aokigahara-Wald in der Nähe des Mount Fuji (Japan) - weltweit als Suizid-Wald bekannt - hat er die Leiche eines Erhängten gefunden. Und - jetzt kommts - hielt mit der Kamera voll drauf, filmte das Suizidopfer (Gesicht verpixelt), filme seine Reaktion, hampelte und kasperlte herum - er verdankt sein Millionenpublikum seinen prank-Videos - und lud das Ganze dann auf youtube hoch.

Nach anscheinend 5 Millionen "likes" löschte er das Video, da inzwischen ein weltweiter Shitstorm einsetzte, der schliesslich nach Zögern auch youtube veranlasste, den eigenen guidelines ansatzweise zu folgen und ihn aus seinem preferred-Programm zu schmeissen. Firmen, die mit ihm kooperierten, kündigten die Zusammenarbeit.

Für Logan Paul heisst das: Weniger Kohle. Und ein Image eines unsensiblen dummen A.....ochs ohne Ehtik und Moral.

Menschen treffen schlechte Entscheidungen:

Wir alle haben schon Entscheidungen getroffen, die wir im Nachhinein bereut haben, wenn auch wahrscheinlich nicht so krass wie Paul, dass wir jemand, der sich selbst getötet hat, als Produkt für die eigene Bekanntheit missbrauchen.

Natürlich ist es einfach (und auch naheliegend) zu fragen, ob dieser amerikanische Youtuber noch alle Tassen im Schrank hat.

Oder ob durch seine youtube-filterbubble - er vermarktete fast alles aus seinem Leben - er tatsächlich so an Sozialkompetenz abgebaut hat, dass er nicht mehr weiss, wie man sich im Leben benimmt.

Fehler in unseren Entscheidungsprozessen ...

Doch tatsächlich lässt sich Pauls Verhalten auch anders als moralisch erklären. Warum wir schlechte Entscheidungen treffen, hängt damit zusammen, dass unser Gehirn bestimmten Fehlern gerne aufsitzt. Ursache davon sind sogenannte heuristische Entscheidungsprozesse.


... sind auf die Heuristiken zurückzuführen

Heuristiken sind in der Psychologie so eine Art Daumenregeln. Sie dienen dazu, komplexe Entscheidungssituationen zu vereinfachen, um so schneller zu Entscheidungen zu kommen.


Zum Beispiel ist es weit verbreitet, dass Menschen schwierige und komplexe Dinge oft spontan entscheiden, ohne lange zu analysieren, nachzudenken etc. Diese Fähigkeit, all das zu übergehen und schnell ein Urteil zu bilden, ist der Heuristik.
  • Ein Beispiel wäre, dass wir uns auf Expertenmeinungen verlassen. Wenn der Anwalt zu uns während der Pause des Gerichtsprozesse sagt: "Also wissen Sie, den Vergleich schliessen wir, was Besseres kriegen wir nicht", dann sind wir geneigt, auf diesen Rat zu hören. Schliesslich ist er ja der Fachmann.
  • Ein anderes Beispiel für eine Heuristik wäre der Telefon-Joker biem "Wer wird Millionär?". Bei Dingen, die wir nicht wissen, fragen wir gern andere. Wenn die Mehrheit eine bestimmte Meinung vertritt, sind wir aufgeschlossen, anzunehmen, dass diese stimmt.

Es gibt einen kleinen Haken bei all dem: Das einzige Qualitätsmerkmal, das unser Gehirn den Heuristiken zubilligt, ist: Sie sollen ein besseres Ergebnis liefern als der Zufall.


Das genügt unserem Verstand bereits, dass er die Daumenregeln  als gut für seinen Entscheidungsprozess befindet. Natürlich ist uns, wenn wir es so aufschlüsseln, klar, dass die Heuristiken - und damit unsere Entscheidungen - fehlerhaft sein können.

Die Psychologie hat folgende Fehler identifiziert:

1. Die sogenannte Ankerheuristik

Nehmen wir an, Sie kaufen ein gebrauchtes Auto. Der Verkaufer sagt: 16 000€. Jetzt wissen Sie natürlich, dass das erste Angebot nie das Letzte ist, das heisst da geht noch was.

Aber: empirische Studien haben herausgefunden, dass egal wie die Verhandlungsargumente laufen, das erste Angebot läuft während der ganzen Zeit als unbewusster Anker mit, an dem alle anderen Gebote gemessen werden. Das Resultat: Das erste Angebot setzt unterschwellig den Wert des Gegenstands fest, an dem sich beide Seiten unbewusst orientieren.

Mag sein, dass der Käufer es als unverschämt hoch angesetzt empfindet, entsprechend werden seine Gebote dann sein. Um so mehr wird er sich hinterher freuen, wenn er viel heruntergehandelt hat. Oder aber der andere kann immer sagen, jetzt bin ich so weit runtergegangen, nein, das ist es jetzt nicht Wert.

Wie auch immer: Der Ausgangswert dient als Anker für die Verhandlung und bleibt unbewusst immer der Orientierungspunkt. Der Knackpunkt: Es ist dabei egal, ob der Preis den tatsächlichen Wert des Gegenstand wiederspiegelt oder nicht. Die Ankerheuristik ist eine Entscheidungsfindung, die unabhängig von der Realität funktioniert, wir halten sie aber für real.


2. Verfügbarkeitsheuristik


Je mehr und je leichter eine Information zu einer bestimmen Sache aus unserem Gedächtnis abrufbar ist, dest wahrscheinlicher halten wir es auch, dass diese Info stimmt, beziehungsweise dass es sehr gut möglich ist, dass - falls die Info ein bestimmtes Ereignis ist - dieses auch eintreten wird.

Beispiel: Wenn uns die Erinnerung sehr präsent ist, dass in der "Haarnadelkurve" pro Jahr 30 Autofahrer tödlich verunglücken, schätzen wir die Möglichkeit, dass es auch uns erwischen könnte, wenn wir mit 180kmh hindurchbrausen, wesentlich wahrscheinlicher ein, als wenn wir diese Daten nicht im Gedächtnis parat haben.

3. Repräsentationsheuristik


Die englische Redewendung bringt es auf den Punkt:
"If it looks like a duck, swims like a duck and quarcks like a duck, then itprobabely is a duck"


Wir lassen uns bei Entscheidungen von Äusserlichkeiten verleiten. Wir sehen dem Showhypnotiseur auf der Bühne Leute dazu zu bringen, dass sie sich zum Affen machen. Daraus schliessen wir, das Hypnose bedeutet, dass die Leute keine Kontrolle über ihr Tun haben. Was nachweislich falsch ist. Aber dieser Irrtum hält sich hartnäckig. Immer wieder kommen Leute zu mir, die meinen, ich solle ihnen etwas "wegmachen" und sie müssten dabei gar nichts tun. Sie würden in Hypnose gehen, ich soll ein paar Dinge sagen und dann ist alles, was stört, belastet und im Weg steht, verschwunden.

Sie sitzen mit ihrem Urteil der Repräsentationsheuristik auf.

4. Pseudodiagnostizität


Zugegeben, der Begriff kommt arg aus dem Psychologischen. Gemeint ist schlichtweg die Tatsache, dass wir gerne übersehen, dass eine Hypothese auch dann falsch sein kann, wenn die Beweise für sie auf den Tisch liegen.


Wieder das Beispiel Hypnose: Dadurch, dass jemand auf der Showbühne Rasierschaum ist, weil er ihn für Sahne hält - nur weil ihm der Hypnotiseur das offensichtlich befohlen hat - heisst noch lange nicht, dass das stimmt. (es stimmt auch tatsächlich nicht!) Aber es wird gerne geglaubt vom Publikum (schliesslich hat der Hypnotiseur das ja auch selbst gesagt - siehe: Expertenheuristik)

5. Informationale Diagnostik


Ein kleiner Zungenbrecher, ein anderes deutsches Wort ist: Verwässerung. Wenn also wichtige und unwichte Informationen so vermischt werden, dass wir allzu leicht den Unterschied nicht mehr bemerken. Müssen wir dann entscheiden, kann die Entscheidung ohne dass wir es merken, darauf beruhen, dass wir unwichtige Informationen als entscheidungsrelevant genommen haben.

6. Framing


Gemeint ist, in welchen Bezugsrahmen wir die Information setzen, nach der wir entscheiden. so wurde nachgewiesen, dass durch Formulierungen, die eine Risiko andeuten, die vor Verluste warnen etc., Menschen eher geneigt sind, statt rational abzuwägen, risikoreiche Entscheidungen zu treffen.


Also nach dem Motto "Wenn sie jetzt nicht handeln, verlieren Sie Geld" drängt unbewusst mehr zum Kauf an als "Vermögensaufbau geht nur langsam und stetig über Jahrzehnte hinweg."

7. Einflüsse aus unserer Motivation

E gibt hauptsächlich fünf Motivationen, die unsere Entscheidungen verzerren können:

7.1 Wir sind bestrebt, unseren eigenen Standpuntk zu verteidigen

Das kann so weit gehen, dass wir ihn auch verteidigen, selbst wenn wir wissen, er ist nicht haltbar

7.2 Das Streben nach Wahrheit und Angemessenheit

Wir wollen wissen, was Sache ist, was nun stimmt und was nicht.

7.3 Selbstwertschutz

Zugeben zu müssen, dass wir ein Idiot gewesen sind und sich zu entschuldigen fällt uns nicht leicht. Wir haben das Bestreben, ein souveräner Mensch zu sein und schämen uns, wenn wir dem nicht entsprochen haben. Wir schützen unser Selbstbild.

7.4 Überschätzung der eigenen Kontrollmöglichkeiten

Alles im Griff zu haben ist womöglich der häufigste Irrtum, dem wir aufsiten. Wer die psychologische Fachliteratur zum Thema Erziehung kennt und wie gross der Einfluss der Eltern tatsächlich auf die Kinder ist, der weiss, wovon ich rede.

7.5 Above-Average-Effect

Auch einer der verbreitedsten Irrtümer über uns selbst. In Deutschland schätzen sich nämlich 80 prozent als intelligenter ein als der Durchschittsdeutsche (was überhaupt nicht möglich sein kann).

Die mögliche Folge: Ein unrealistische Einschätzung der tatsächlichen Situation.

Welcher Heuristik mag nun Logan Paul aufgesessen sein?

  • Ist es der Above-Average-Effect? Nach dem Motto: Schaut mal, wie sensationell mein Leben ist, oh mein Gott, oh mein Gott!
  • Ist er der Verfügbarkeitsheuristik beim Thema "Ethik" auf den Leim gegangen, also zu denken Clickbait-Sensations-Videos waren immer gut für mein Einkommen und Bekanntheitsgrad. Eine Leiche finden ist etwas Sensationelles, also posten! Andere Kriterien waren in seinem Kopf einfach nicht verfügbar?
  • Oder war es eher die Überschätzung der eigenen Kontrollmöglichkeiten: Ich hab das im Griff, bisher lief alles gut. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich Schwierigkeiten bekommen, die ich nicht steuern kann, bei meiner Reichweite 
Was war es denn? Mich interessiert Ihre Meinung. Schreiben Sie sie einfach in die Kommentarfunktion.

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