15. Juni 2015

Mediation - ein Weg für Missbrauchsüberlebende, wenn das Gesetz nicht greift

Sexually Abused child.
Sexually Abused child. (Photo credit: Wikipedia)
“Kira war zwölf Jahre alt, als sie abends von ihrem Vater im Kinderzimmer geweckt wurde. Er sagte, dass sie nun Mama mit ihm spielen dürfe. Im Kinderzimmer, im Bad, im Obergeschoss eines Holzschuppens, im elterlichen Schlafzimmer habe er sie in den folgenden Jahren vergewaltigt, sagt Kira.
Jahre später hat sie Anzeige erstattet. Doch die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen eingestellt. Kein Einzelfall, sagen Beratungsstellen.”


Als Therapeut oder als Mediator, der mehr in der Psychologie zu Hause ist, wird man mit solchen Fällen wie dem oben Zitiertem konfrontiert. Vorausgesetzt natürlich, man nimmt das Mandat an. Das Zitat stammt aus der Süddeutschen Zeitung.

Im Gegensatz zum Recht und Gesetz ist Mediation nicht an Verjährungsfristen oder sonstigen Vorgaben gebunden, sondern hat die Möglichkeit, auch dort, wo der Rechtsstaats nichts mehr erreichen kann, Wege und Lösungen zu finden. Die einzige Voraussetzung, die es gibt, ist, dass die Parteien gewillt sind, sich an einen Tisch setzen.

Viele sind versucht, zu sagen, dass das eh nicht der Fall sein wird. Welches Interesse hätte ein Straffälliger, sich mit seinem Opfer zusammenzusetzen? Ich muss sagen, es gibt durchaus Situationen, in denen die Interessenslage so etwas hergibt.

Beispiele für Anlässe für Mediation bei Missbrauchsfällen

  • Anlass ist zum Beispiel die Erbangelegenheit. Der Täter von damals stammt aus der Familie und will das Erbe aufteilen. Die Tocher, der Sohn, der missbraucht wurde, ist nicht gewillt, sich mit dem Angebot abzufinden, sondern will sein Leiden mit berücksichtigt sehen. Eine finanzielle Aufstockung seines Erbteils wurde angeboten, brachte aber keine Lösung. Statt dessen folgten weitere Eskalationen.
  • Das Ansehen der Öffentlichkeit. Der Täter will nach so langer Zeit nicht, dass sein Name mit der vergangenen Tat publik wird. Dies motiviert ihn, sich an einen Tisch zu setzen. Ein egoistischer Wunsch? Möglich, aber er führt dazu, dass man sich zusammensetzen kann.
  • Der Wunsch, endlich mit dem Vergangenem, welches über all die Jahre als Tabu über der Familie schwebte, abzuschließen, ist ebenfalls ein möglicher Grund.
  • Eine lebensbedrohliche medizinische Diagnose, verbunden mit dem Rat des Arztes, sich um seine persönlichen Angelegenheiten zu kümmern, hat den Wunsch entstehen lassen, die Sache zu einem einigermaßen möglichen versöhnlichen Ende zu bringen.
  • Die familiäre Situation hat Züge einer Schicksalsgemeinschaft an sich, der sich keiner richtig entziehen kann, die Vergangenheit ist dabei so gegenwärtig, dass ein Verharren in dem gegenwärtigen Zustand zum Zusammenbruch aller führen würde. Man ist gezwungen, sich zu arrangieren.
  • Gesundheitlich Gründe. Im Alter entstehende Pflegenotwendigkeiten und verändern die Abhängigkeiten innerhalb der Familie und damit entstehen andere Machtverhältnisse in den Beziehungen. Auch das kann für Täter eine Motivation sein, mit ihrem Opfer sich an einem Tisch zu setzen.
  • Mit Geburt der Enkelkinder möchte der Täter seine Großvaterrolle ausfüllen, was ihm jedoch von seinem früheren Opfer verwehrt wird. Will er seine Enkel sehen, geht das nur über sein von ihm früher missbrauchtes Kind. Er muss sich also mit ihm / ihr auseinander setzen und eine Regelung finden.
Die Aufzählung ist natürlich nicht vollständig. Sie sagt auch gar nichts darüber aus, was wie häufig vorkommt. Letztendlich sind die Motive, die Menschen dazu bringen, etwas zu tun, äußerst individuell und sie sind geprägt von persönlichen HIntergründen und beeinflusst von Gelegenheit und sozialen Situationen.


Eines ist noch wichtig: 

Man sollte nicht automatisch erwarten, dass sich der Täter aus Einsicht und Reue in ein solches Verfahren begibt. Natürlich gibt es das auch, aber es ist nur eine Motivation unter vielen und nicht die gängigste. Meiner Erfahrung nach begeben sich Menschen in eine Mediation, weil andere Auswege es nicht gibt oder sie ihnen durch irgend etwas versperrt sind oder weil sie zu viel kosten würden (und ich meine damit nicht nur finanziell).

Um es klar zu sagen: 

Als Therapeut weiß ich, dass Einsicht und Reue eine Rolle spielen, wenn man den Weg der Versöhnung gehen will. Als Mediator weiß ich ebenso, dass Einsicht und Reue nicht notwendig sind, um anzufangen. Für eine Mediation sind humanitäre Motivationen zwar wünschenswert, aber nicht zwingend erforderlich.

Wichtiger als die Motivation des anderen zu prüfen, ist es, ... 

... zu klären, was man selber mit außergerichtlichen Verfahren erreicht werden will. Einen finanziellen Ausgleich anzustreben, ist nämlich etwas anderes, als der Wunsch, der Täter möge endlich anerkennen, was er getan hat.
Und dies ist wiederum etwas anderes, als wenn man sich innerhalb der Familie aussöhnen will.

Im Laufe der mediatorischen Gespräche ändern sich auch oft die Ziele und Bedürfnisse der Beteiligten. Die entstandenen Lösungen sind so vielfältig und unterschiedlich wie die beteiligten Menschen es sind.
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