4. November 2013

Ansätze der Paartherapie - wenig beachtet, oft entscheidend

Couple in love
Couple in love (Photo credit: Wikipedia public domain)
Ansätze für die Paartherapie gibt es viele. Meist bekommen sie die Paare, die einen solchen Service in Anspruch nehmen, eher en passant mit. Das heißt, sie fragen gar nicht explizit danach oder informieren sich auch nicht groß vorher über die Methoden und die dahinter stehenden Denkweisen, die der Therapeut anbietet.

Schade, denn diese sind maßgebend für die Art und Weise, wie man die Dinge anpackt. Und nicht jede Philosophie ist einem gleich nah und verständlich. Deshalb gibt es hier konkret ein Beispiel.
Genauer gesagt, sind es zwei Ansätze.

Modell 1

Housing
Housing (Photo credit: james.thompson)
In der Paartherapie gibt es einen Denkansatz namens "Modell Lebenshaus".
Das Haus als Chiffre repräsentiert dabei das eigene Leben, die unterschiedlichen Räume symbolisieren die verschiedenen Lebensbereiche, zum Beispiel Beruf, Freizeit und Hobby, Familie, Partnerschaft etc.
Im Laufe des Tages durchwandert nun der / die Betroffene diese unterschiedlichen Lebensbereiche, hält sich eine Zeitlang darin auf und geht dann zum nächsten über. In jeweiligen Lebensbereich widmet sich die Person ganz den Anforderungen dieses Raumes. Ist die Person zum Beispiel im Raum "Job", ist sie ganz für die Arbeit da, andere Räume spielen keine Rolle. Geht sie in den Raum "Partnerschaft", bemüht sie sich, ganz auf den Partner einzustellen.

Je nach Art des Jobs hängt nun über dem Raum "Beruf" eine Klingel, die mehr oder weniger oft schellt und die Person in den Berufsraum zurückordert. Das führt in einer Beziehung dann oft zu Vorwürfen, dass der eine Raum de facto mehr bewohnt werde als zum Beispiel der Raum Partnerschaft. Es kommt zu einer "Welcher-Raum-ist-jetzt-der-zu-mehr-Zubewohnende-Debatte".

Der Lösungsweg sieht entsprechend aus

Five-foot-way
Five-foot-way (Photo credit: linkway88)
Zuerst einmal machen wir uns nichts vor: Die Klingel über dem Raum mit der Aufschrift "Beruf" gibt es wirklich. Und in den letzten Jahren wurde sie öfters betätigt als davor. Das Arbeitsleben ist nicht mehr so, wie es noch mein Vater anfangs kannte: mit Feierabend, regelmäßigem 13. Monatsgehalt, gemeinsamer Urlaubsplanung und ausreichend Kindergartenplätzen und regelmäßig verpflichtenden Sonntagsgottesdiensten. Die Klage über Doppelbelastungen ist eine Klage über eine Realität. Sie betrifft Männer und Frauen. Beide sind doppelt belastet. Die Paare unterscheiden sich nur darin, wie sie diese Doppelbelastung in ihrem "Lebenshaus" organisiert haben.

Viele (i.d.R. weibliche) Paartherapeuten sagen nun, Frauen seien frustriert von der Beziehung, weil ihnen im "Lebenshaus" ihres Partners nur ein Raum unter vielen zugewiesen wurde. Mit anderen Worten: sie möchten gerne im ganzen Leben ihres Mannes eine Rolle spielen. Ohne dem gibt es für sie keine emotionale Verbundenheit, ohne emotionale Verbundenheit keine erfüllende Intimität und ohne erfüllende Intimität .... nun, Sie wissen schon.

Diese (meist weiblichen) Therapeuten versuchen nun den Männern zu helfen, indem sie sie anleiten, ihre Frauen sozusagen in jedes Zimmer ihres Lebenshauses einzuladen. Also Ehemann zu sein, auch wenn sie sich gerade im Lebensbereich "Beruf" aufhalten etc. Der Mann soll bei jeder Entscheidung berücksichtigen, dass seine Frau an seiner Seite ist. Geschieht das, wird auch jeder Lebensraum, in dem er sich aufhält, zu ihren Gefühlen und Bedürfnissen kompatibel. Er lernt, Verhaltensmuster, die bei seiner Frau Unbehagen auslösen, abzulegen und sie in ihrem Bedürfnissen abzuholen.

So weit die Theorie. 

Angst
Angst (Photo credit: CBS_Fan)
Aber ein solcher Ansatz löst Widerstand aus. Die meisten Männer fürchten, wenn ihre Frau in jeden Raum ihres Lebenshauses" sich aufhält, dann dominiert sie am Ende alles und man hat als Mann gar keinen Rückzugsort mehr und letztendlich weder Ruhe noch Frieden.
So blög es jetzt klingt, aber diese Befürchtung dieser Männern - ob im konkreten Fall jetzt realistisch oder nicht - ist auch nicht vom Himmel gefallen oder böswilliger Verweigerungshaltung entsprungen. Man sollte sie nicht abwerten, sondern ernst nehmen.

Der therapeutische Ansatz "Lebenshaus" versucht zum Beispiel, diesen Fallstrick zu entkommen, indem er fordert, dass die Einladung in jeden Lebensraum von Seiten des Mannes und die Annahme der Einladung von Seiten der Frau mit vollem Herzen erfolgen soll. Beide sollen voll dahinter stehen, und wenn es so ist, dann taucht das Gefühl "kolonialisiert zu werden" gar nicht auf. Statt dessen gäbe es das Gefühl, dass sich der jeweils andere um einem sorgt und dass man sich gegenseitig stützt und wertschätzt. So entsteht emotionale Verbundenheit, Intimität und Romantik in eingefahrene Beziehungen.

Ein paar Fragen hätte ich dazu schon noch

Dieser Ansatz der Paartherapie ist mir in USA begegnet. Es sind also nicht weibliche Paartherapeuten, sondern weibliche amerikanische Paartherapeuten, die mir diesen Ansatz vermittelt haben. Macht das einen Unterschied? Ja! Denn nicht alles Amerikanische ist 1:1 nach Deutschland exportierbar.

Arbeite ich mit diesem Ansatz? Nein, denn ich hatte ein paar Fragen, die sie mir nicht hinreichend beantworten konnten.
Der Gedanke, bei jeder Entscheidung im eigenen Leben auch die Bedürfnisse und Denkarten der Partnerin als Leitlinie mitzunehmen, ist nicht das Problem. Bei den wenigsten Paaren, die ich kenne, gibt es einsame Entscheidungen eines einzigen (wenngleich es so etwas natürlich existiert).

Die Schwierigkeiten liegen woanders:

  1. Was, wenn man das Geforderte genau tut, sich aber hinsichtlich der Bedürfnisse und Wünsche des Partners getäuscht hat? Ein Blick auf so manche Weihnachtsgeschenke lassen da so manche Erfahrung aufkommen - nicht nur bei Frauen, auch bei Männern.
    Was heißt das für den Ansatz "Lebenshaus"? Dieser bezieht in seiner Denkweise das Phänomen Trugschluss nämlich nicht mit ein. Er geht davon aus, dass die Bedürfnisse eines jeden Partners dem anderen unmissverständlich und klar sind. In der Realität ist das aber sehr sehr oft nicht der Fall.
  2. Die Forderung nach "vollen Herzen" ist eine unrealistische Konstruktion. In Wirklichkeit ist nichts so totalitär, dass es mit vollem Herzen geschieht, sondern immer mit mehr oder weniger großer Gewichtung. Nichts ist vollkommen bedingungslos, sondern alles - auch das menschliche Herz - unterliegt Grenzen. Wer dennoch denkt, es muss aus vollem Herzen kommen, der ist sofort auf der Schnellstraße zur Enttäuschung.
  3. Was ist, wenn der Partner kein Interesse hat, in einen bestimmten Lebensraum zu kommen, sich aber trotzdem frustriert fühlt, weil er / sie nicht ganz im Leben des anderen integriert sich fühlt. Natürlich könnte man dann zu Recht sagen: Dann ist nicht dein Partner das Problem in der Beziehung, sondern du! Andererseits kann aber das Desinteresse an dem einen Lebenszimmer dadurch motiviert sein, dass ein Betreten dieses Zimmers Regeln und Verhaltensweise verlangt, das es einem ziemlich unmöglich macht, den Schritt über die Schwelle zu tun. Und was dann?

Die Grundannahmen stimmen nicht

Eine Paartherapeutin sagte mir, eine Frau verläßt nicht den Mann, der ihr Zugang zu all seinen Lebensräumen gewährt und sie damit in sein ganzes Leben hinein lässt. Ehrlich gesagt, na ja..... wenn ich an die verschiedenen Kulturen und Nationen denke ... ich habe nicht selten gesehen, dass sich Frau und Mann verliebt hatten, ein gemeinsames Leben wollten, er sie nach Deutschland gebracht hat und sie nach kurzer Zeit fluchtartig ihn und das Land verlassen hatte.

Wenn ich mit diesen Frauen reden konnte, bekam ich sehr oft die selbe Antwort: In Deutschland seien die Leute so unfreundlich, das Wetter unschön, alles so kompliziert, man steht alleine da, vermisst die Wärme der Familie, der Nachbarn, das Essen zuhause ("deutsches Essen sei fett, schwer und ungesund"), kurzum: hier gäbe es keine gute Lebensqualität.

Ist das nur die übliche crux bei bestimmten cross cultural relationships? Nein, denn es gibt auch im eigenen Land Lebenswelten, die sind so wenig miteinander kompatibel, dass Liebe sie nicht überbrückt. Und dann?
Die Beziehung muss nicht zu Ende sein, nur: der erwähnte Ansatz der Einladung funktioniert nicht.
Die Konsequenz: ich arbeite nicht damit.

Der Unterschied macht den Unterschied: Modell 2

Different Sides
Different Sides (Photo credit: JP<3!)
Das hängt auch damit zusammen, dass ich durch meine Reisen gelernt habe, dass nicht das Gemeinsame das Ursprüngliche ist, sondern dass das Grundlegende bei uns Menschen die Unterschiede sind. Und diese zu überwinden ist oft gar nicht nötig. Es genügt, sie hilfreich zu organisieren.

Gut klarkommen heißt: Trotz und vielleicht weil es diese Unterschiede gibt und sie nie und nimmer verschwinden werden, ein gutes Leben zusammen führen zu können. Es geht nicht um Überwindung von Grenzen, denn dann entsteht immer Furcht, kolonnialisiert und dominiert zu werden. Es geht auch nicht darum, zum Anderen zu gelangen.

"Ich komm nicht an ihn ran", jammerte einmal eine Sozialpädagogik.


Es ist nicht das Ziel einer Beziehung, an jemanden "ran zu kommen". Das meinen viele bloß, und diese Meinung beruht meist nur auf einer realitätsfernen übernommenen Doktrin. Der Dichter Saint Exupery hat es so ausgedrückt:

Liebe besteht nicht darin, dass man einander anschaut, sondern gemeinsam in eine Richtung blickt.


Die Partnerschaft ist Teil des Lebens, sie ist nicht das Lebens selbst. Es ist eine mission impossible, das ganze Leben auf jemand anderen auszurichten. Das geht ebenso schief wie das Bemühen, jemanden nach dem eigenen Abbild verändern zu wollen oder ihn als Bestätigung und Kompension der eigenen Defizite zu sehen. Das (Beziehungs-) Leben ist zu groß und zu vielgestaltig dafür.

Couple dansant à contre-jour
Couple dansant à contre-jour (Photo credit: couscouschocolat)
Aussichtsreicher ist es, den partnerschaftlichen Teil des Lebens zu zweit gut gestalten und gleichzeitig darin seinen eigenen Part zu haben.

Man muss ja nicht die ganze Titanic umbauen, schwimmen kann sie ja schwimmen.
Es genügt, die Eisberge links liegen zu lassen und für die Krise die Rettungsboote auf den modernen Stand zu bringen.

Deshalb mein Plädoyer sowohl an Paartherapeuten als auch an die Paare: Macht die Dinge nicht komplizierter als sie wirklich sind. Und ladet sie nicht mit einer Bedeutung auf, die die Dinge gar nicht haben!
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