1. Juni 2013

Geheime Mechanismen in der Beziehung: Was Paare zusammenhält - und was sie trennt!

English: John Gottman with His Wife, Julie Gottman
English: John Gottman with His Wife, Julie Gottman (Photo credit: Wikipedia)
Beziehungen gehen schief. Andererseits: Beziehungen klappen auch. Leider weiß man es immer erst hinterher.
Nein, stimmt nicht! Die psychologische Forschung behauptet, mit über einer 3/4 Mehrheit, Voraussagen machen zu können, ob das frische Paar die nächsten 4-6 Jahre übersteht oder ob es vor dem Scheidungsrichter landet.

"Forschung" heißt genauer gesagt: John Gottman (s. linkes Bild). Er ist emeritierter Professor für Psychologie in USA und hat sein Leben der spannenden Frage gewidmet, wie wahrscheinlich es ist, dass die Liebe zwischen x und y hält.
Nach hunderten von Analysen kann er das sehen, wie er sagt.



Die gute Nachricht:

Wir wissen heute, dass es nicht die Unterschiede sind, die Paare auseinanderbringen. Der Satz "Wir sind einfach zu verschieden" ist eine Chimäre. Entscheidend für ein Paar ist, wie es mit den Unterschieden umgeht. Das ist das A und O.

Gottman beobachtete Paare beim Streiten, führte Interviews, verkabelte seine Probanden, glich Körperreaktionen, Verhaltensweisen und Aussagen miteinander ab und im Laufe der Zeit schälten sich damit  ein paar "Gesetze" für eine Langezeitbeziehung heraus.

Das oberste Gesetz:

Nur derjenige, der die grundsätzlichen Wünsche seines Partner akzeptiert - egal wie weit entfernt sie vom eigenen Horizont liegen - hat Chancen auf eine längerfristige Beziehung.

Oder anders ausgedrückt: 

Nur wer neben der eigenen Wahrheit noch eine andere - vielleicht auch konträre Wahrheit -  zulassen und wertschätzen (nicht nur tolerieren!) kann, der sägt nicht an der eigenen Beziehung.

Wenn man sich ansieht, ...

... wie oft in Beziehungen über richtig oder falsch gestritten wird, dann ist das eine nüchterne Botschaft. Für wem "Recht haben" ein sehr hoher Wert in der Beziehung ist, der wird früher oder später allein sein.

Die vier Beziehungskiller

Dieses Recht-haben-wollen steht auch als Triebfeder hinter dem, was Gottman die vier apokalyptischen Reiter in der Liebe nennt. In der Bibel sind das vier mystische Gestalten, die Verderben bringen. In der Psychologie Gottmans sind es vier Umgangsformen, Konflikte anzugehen:

  1. persönliche Schuldzuweisungen und Anklagen bis zur generellen Verurteilung des Partners. Nach dem Motto: Du bist Schuld, dass es mir so geht
  2. Abwehr und Rechtfertigungen, die den Gegenangriff implizieren, also zu Beispiel:
    "Das, was du sagst, stimmt überhaupt nicht!" oder: "Ich habe das gemacht, weil du x gemacht hast. Ich reagiere ja nur."
  3. Verachtung und geringe Wertschätzung des Partners:
    Hier gehören alle Aussagen über den geistigen Gesundheitszustand, Schnelligkeit des Denkens oder über den Grad der Intelligenz, so wie das demonstrative Vorführen der Schwächen vor Dritten oder den eigenen Kindern.
  4. Rückzug und Abschottung:
    Schweigen ist eine mächtige Waffe. Das wissen wir seit Thomas Morus gegen Heinrich VIII. und dessen Ehe angeschwiegen hatte. Schweigen ist Macht, Verteidigung und Angriff zugleich. Und wenn dann noch die Begründung "mit dem/der kann man eh nicht reden" dazukommt, liefert man auch gleich die eigene Entlastung für das Schweigen mit.
    Nebenbei: hier sollten wir den körperlichen Rückzug nicht übersehen.
Sind alle vier apokalyptischen Reiter beim Paar schon im Galopp unterwegs, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Paar sich trennt.

Wie gesagt, es ist sehr wahrscheinlich. Es ist auch möglich, dass das Paar die Kurve kriegt. Man kann die vier Reiter vom Pferd holen. Aber das bedeutet Arbeit.

Was Paare unabdingbar brauchen:

 

Konfliktfähigkeit: folgende Fähigkeiten sind unerlässlich: 

  • Person und Sache trennen, 
  • deeskalierende Sprache, ich-Botschaften, 
  • Deskription statt Akkusation, also mehr Beschreibungen, was sich zeigt, anstatt Anklagen, was jemand macht. 
  • Vermeiden von Verallgemeinerungen, denn sie fördern Eskalation
  • Vermeiden von Deduktionen auf dahinterstehende Gemütslagen, Geistesverfassungen oder auch nur Motivationen, denn sie sind äußerst kontraproduktiv.

Das Wichtigste: Den eigenen Kopf als das erkennen, was er in Wahrheit ist: der eigene Kopf

Na klar, könnte man sagen, was soll er sonst sein? Aber wenn wir ehrlich mit uns sind, sind wir sehr gefährdet, den eigenen Kopf nicht als den eigenen Kopf, sondern als Behälter für die Wahrheit zu sehen. 
Wir glauben, dass das, was wir denken, tun, fühlen etc. richtig und wahr ist. 

Aber die Art, wie wir denken, tun und fühlen ist nicht als Wahrheit vom Himmel gefallen. Man hat sie uns beigebracht durch Erziehung, Bildungs- und Glaubenssysteme und wir selbst haben es übernommen, maches bewusst, vieles unbewusst. 
Nicht weniges hat auch funktioniert, aber nur weil etwas funktioniert, heißt es noch nicht, dass daraus ein Gesetz der Wahrheit sich erhebt. Oprah Winfry ist ein gutes Beispiel dafür. 
Ihre Talkshow war so ziemlich das Non Plus Ultra in der amerikanischen Medienlandschaft. Der Platz auf ihrem Sofa konnte ganze Existenzen in den Olymp katapultieren - oder auch in die Gegenrichtung. Oprahs Arbeit war mächtig. 
Bis sie den Sender wechselte. Niemand weiß warum, auch Medienwissenschaftler nicht, aber seitdem funktioniert Oprahs Show nicht mehr. Nichts ist anders, das Format ist das selbe, ihre Zielgruppe, die Ziegruppe des Senders, die Reichweite, das Konzept ... alles blieb so, aber es ging in Richtung Bedeutungslosigkeit ... um sich bis heute nicht mehr zu erholen.
Wenn Dinge funktionieren, heißt das nicht, dass die Welt so funktioniert. Dieser Verwechslung sitzen viele, gerade erfolgreiche Menschen auf. Sie meinen, der Erfolg gibt ihnen Recht - und verallgemeines diese Überzeugung auf ganz andere Lebensbereiche.
Wer systemische denkt, der weiß, das dass ein Irrtum ist. Was für einen Lebensbereich gilt, muss überhaupt nicht für einen anderen Bereich gelten. Ich habe viele Manager kennen gelernt, die mit den selben Grundüberzeugungen, mit denen sie erfolgreich ihre Firma lenkten, versucht haben, ihre Partnerin zu fördern. Früher oder später standen sie vor den Scherben ihrer Beziehung. Was in einem Lebensbereich funktioniert, fährt im anderen gegen die Wand.
Deshalb: Halten wir deshalb etwas gesunden Abstand zu unseren eigenen Überzeugungen. Sie sind nicht wahr, nur kontextspezifisch funktionial.

Paare mit langfristigen Beziehungen haben diese Fähigkeit und sie verwechseln die eigene Vorstellung nicht mit einer allumfassenden Wahrheit. So jedenfalls Gottmans Untersuchungen.
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