17. September 2012

Fünf Märchengeschichten über Meditation

La méditation (Danse Odissi, musée Guimet)
La méditation (Danse Odissi, musée Guimet) (Photo credit: dalbera)
Meditation hat in vielen Disziplinen Einzug gehalten:
  • Stressmanagement, 
  • Sport, 
  • Wellness, 
  • Burnoutprävention, 
  • Entspannungskurse, 
  • religiöse VEranstaltungen, Kirchentage, 
  • Managerretreats und vieles mehr. 
Auch in der Therapie benutzt man jetzt verstärkt meditative Elemente.Wohl gerad aufgrund der vielen Einsatzgebiete herrscht eine babylonische Verwirrung, was denn Meditation nun ausmacht. Hier die gängigsten Gedankenfehler:

5. Märchen: "Nimm einen tiefen Atemzug, entspanne dich" ... oder: Mediation = Entspannung

Weil Mediation als Tool im Stressmanagement eingesetzt wird, wird oft mit Entspannungstechniken gearbeitet - was in diesem Kontext sinnvoll ist. Das bedeutet aber nicht, dass Meditation nichts anderes sei als Entspannung. Entspannung ist nur eine Technik zur Einleitung der Mediation, danach kommt aber etwas anderes.

4. Märchen: "... und denke an eine schöne Blumenwiese, wo die Bienen summen ..." ... oder: Meditation = geführte Traumreise

Sogenannte Traumreisen kenne ich noch aus der Jugendarbeit. Als geführte Imagination werden sie auch in psychoedukativen oder therapeutischen oder sozialpädagogischen Arbeiten eingesetzt. Sie dienen der Beruhigung, Entspannung, födern die Vorstelllungskraft und Konzentration und wirken nachweislich fördernd auf das Immunsystem Es gibt etliche therapeutische Richtungen, die mit inneren Visualisierungen arbeiten. Auch viele Coaching-Methoden basieren darauf. Manche Mediationstechniken benutzen Visualisierungen ebenso, aber nicht alle. Zen zum Beispiel oder die sogenannte mindfulness meditation aus dem Theravada-Buddhismus hat damit wenig am Hut. Und das ist der Unterschied. Mediation nutzt zuweilen Visualisierungen als Technik, sie sind kein Ziel ... und manchmal nicht einmal ein Mittel.

3. Märchen: "... und ab gehts in trance" ... oder: Meditation ist nur Selbsthypnose

Hypnose bedeutet, jemanden in Erfahrungen führen, die dem bewussten Verstand nicht zugänglich sind, zum Beispiel um innere Blockaden zu lösen, um alte tiefer sitzende Muster zu verändern oder um sich schlichtweg an Dinge zu erinnern, die absolut unzugänglich ins Meer des Vergessen abgetaucht zu sein scheinen. Dazu gibt es eine Vielzahl von Methoden. Manche arbeiten mit Visualisierungen, andere - oft die Selbsthypnose - mit speziellen Skripten, wieder andere analytisch usw.
Was mit Meditation gemeinsam ist: es geht um die innere Arbeit an einem selbst. In manchen Hypnosetechniken nutzt man Suggestionen und wiederholt diese so oft wie möglich. Manche Meditationsfromen arbeiten mit Mantras und widerholen diese ständig. So gesehen gibt es Überschneidungen, wenn auch nur partiell. Unterschiedlich ist jedoch das Ziel: Hypnose, Selbsthypnose will bestimmte Veränderungen bei ganz bestimmten Themen oder Problemen erreichen. Meditation dagegen zielt nicht darauf ab, gesundheitlich oder psychische Beschwerden zu lindern.

3. Märchen: "lass alles Äußere los ..." oder : Meditation ist Flucht vor der Wirklichkeit in innerpsychische Erlebniswelten

 Meditation sei Nabelschau, hat keinen Effekt und schließlich sein entscheidend, was hinten raus kommt. Viele, besonders sozial oder politisch Engagierte sitzen diesem Gedankenfehler auf.

Erstens ist das komplett falsch und zeigt nur, wie wenig diese Menschen von Meditation verstehen

... und zweitens: herumrennen, von einem Termin zum anderen hetzen, sein mobile mit ins Bett nehmen, im Urlaub jeden Tag berufliche Mails checken und keine Zeit für sich oder seine Lieben zu haben, ist wohl keine Flucht vor der Wirklichkeit?

Mediation konfrontiert einem mit sich selbst. Mit all dem Ärger, den Enttäuschungen, den eigenen Abhängigkeiten und eigenen Grenzen. Mit all dem, was man sonst so erfolgreich verdrängt und auf später verschoben hat. Meditation führt dazu, diesen Ballast zu transformieren. Als Resultat ist man befreiter, unabhängiger, intuitiver und stabiler in den Wechselfällen des Alltags. Mediation hilft zu einem stabileren Leben, unabhängig was einem zustößt.

2. Märchen: "... das ist undeutsch ..." oder Meditation = Teil von nichtchristlichen Religionen

In unserer heutigen Zeit gibt es wieder Stimmen, die meinen, bestimmen zu können, was oder welche Religionen zu Deutschland gehören und welche nicht. Für das Thema Meditation gilt:

Im Christentum gibt es eine jahrtausendalte Tradition von Meditation, angefangen von den Wüstenvätern bis heute, die Christen haben sich insgesamt allerdings nicht sonderlich groß darum gekümmert. So entstand eine geistige Lücke für diejenigen, die mehr suchten als das Befolgen von äußeren Riten und Glaubensartikeln.
Manche Meditationsarten, die in diese Lücke vorstießen, waren mit religiösen Praktiken verknüpft, andere sind es nicht. Nehmen Sie zum Beispiel die Mediation, die mit der Methode "Atem beobachten" arbeitet. Sie stammt aus dem Buddhismus. Aber was ist am Atem beobachten religiös, bitteschön? Ursprünglich ist Meditation keine religiöse Übung, sie hat nur in vielen Religionen ihren Platz gefunden. Aber dass sie mit so vielen unterschiedlichen Religionen vereinbar ist, zeigt deutlich, dass es eben selbst keine eigene religiöse Übung ist.

1. Märchen: "das psst nicht hierher ..." oder: Meditation kommt aus einem anderen Kulturkreis

Viele Leute denken bei Meditation an Asien und an Buddhismus. Für sie steht fest: Meditation kommt aus einem anderen uns fremden Kulturkreis. Spontan hätt ich zwei Antworten parat:
Erste Antwort:
" Na und?"
Zweite Antwort:
Hmmm, schon mal überlegt, wo das Christentum herkommt? Ach ja, aus dem Mittleren Osten!

Jede Kultur fußt auf einer anderen. Es gibt nichts Genuines, Eigenständiges, das unbefleckt von fremden Einflüssen ist. Selbst die Orgel im Christentum ist im christlich-religiösen Fachbegriffen ein heidnisches (arabisches) Instrument.
Natürlich gibt es zum Beispiel in tibetischen Meditationsformen für Westler ziemlich bizarre Dinge - ein paar davon habe ich gesehen. Aber auch im Christentum gibt es Beschwörungen und Teufelsaustreibungen. Dort, wo meine Praxis steht, ungefähr in der 30 km entfernten Nachbarsstadt lebt ein Exorzist der katholischen Kirche. Und er soll auch praktizieren. Mit dem Segen der Geistlichkeit.

Zusammenfassung: E ist nicht leicht, bei all den verschiedenen Etiketten herauszufinden, was denn nun dahinter steckt. Nicht selten dient das Wort "Meditation" bloß als Aufkleber, um die alten Produkte unter einem gerade in Mode zu sein scheinenden Label besser verkaufen zu wollen. Jeder sollte deshalb darauf achten, wer der Anbieter und was sein geistiger Hintergrund ist. Gibt es hier nur Allgemeinplätze oder Floskeln oder verschwommenes "Wir haben ein positives Menschenbild"-Gesülze - besser Finger weg!

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