30. Juni 2016

Wie Bud Spencer zur therapeutischen Lebenshilfe inspiriert

Bud Spencer ist in dieser Woche gestorben. Ich oute mich, dass mich die Nachricht emotional mehr berührte als der Brexit. Ganz ehrlich. Als ich dann ein paar Nachrufe las, stellte ich erstaunt fest, dass sein Lebensmotto mit einer Strategie übereinstimmt, die ich bei einigen Patienten angewendet habe (übrigens mit Erfolg). Eine kleine Verbeugung vor einem sympathischen grossen Mann und über die heilsame Weise seiner Philosophie.


Gleich zu Beginn: Das ist Bud Spencer, wie er in seinen Filmen leibt und lebt. Gut, vor allem leibt er:



Das war es aber nicht, was ich bei den Patienten erfolgreich anwende. Es geht eher um eine Art Lebensphilosophie und Einstellung, aus der heraus die Dinge bewältigt werden.

"Mach schon Platz, ich bin der Landvogt!"



Die Rollen, die Bud spielte, wissen genau, wer sie sind und was sie wollen. Daraus folgt dann die entsprechende Aktion. Die ist natürlich hauptsächlich auf eines hingetrimmt: Den Zuschauer zum Lachen zu bringen, aber das entscheidende Merkmal ist folgendes:


Bud lässt sich, egal was ihm entgegentritt, nie von seinem Kurs abbringen!



Auftreten, Verhalten entspringen einem tieferen Fundament

Auftreten und Verhalten sind entscheiden hinsichtlich der Frage, ob wir mit den Dingen, die uns passieren, gut klarkommen oder nicht. Nicht immer reagieren wir angemessen, gut und sinnvoll. Die Gründe davon sind vielfältig:
  • Wir sind zu vorsichtig.
  • Wir sind unsicher.
  • Wir wissen nicht genau, worauf wir hinauswollen
  • Wir sorgen uns, auf welche Reaktion wir stossen werden
  • ...

Souveränität aber ist ein Kind von "Wissen, wer wir sind" und "Wissen, was uns wichtig genug ist".



Der Fachausdruck dafür lautet: "commitment".

Es ist ein wesentlicher Teil der "Schulrichtung", nach der ich mit Menschen arbeite. Commitment besagt genau das:
  • die eigenen Werte zu kennen
  • sich selbst so wichtig zu nehmen, die Werte auch leben zu wollen
  • zu wissen und zu akzeptieren, dass, will man nach seinen eigenen Überzeugungen leben, andere einem Schwierigkeiten bereiten werden
  • dass ein eigenes Leben bedeutet, es nicht nach den Vorstellungen des Nachbarn, der Kollegen, des Partners oder des Chefs oder der Firma zu leben
  • seinen Werte zu folgen und, wenn die Hindernisse einem vom Weg abbringen, ohne sich zu verurteilen oder es zu bagatellisieren, wieder auf den Weg zurückkehren

Viele Therapeuten konfrontieren nicht, sondern rühren in der Problemsuppe. Monatelang.

Ja, es gibt immer etwas zu klagen in einer Therapiestunde. Denn die Leute leiden, die in die Therapie gehen. Nicht alle in gleichen Masse, das ist genau so wie beim Arzt. Der eine hat eine Lungenentzündung, der andere einen Schnupfen, der Dritte ein aufgeschlagenes Knie und der Vierte ein durchtrenntes Rückenmark. Alles ist Leid, in unterschiedlichen Schattierungen.

Klagen und Problem wälzen ist auch generell nichts Verdammenswertes. Wenn es aber hauptsächlich das ist, was stattfindet, dann ist das ein ständiger Kreislauf, der nichts bringt. Man bleibt in der Problemsuppe.

Kann man machen. Kassentherapeuten bekommen dadurch viel Geld von der Kasse. Für meinen Anspruch ist das aber zu wenig.

Es nutzt nichts, am Schlimmen zu kleben. Hol dir statt dessen ein Leben zurück

Es gibt Dinge, die sind Sch... und werden es immer sein. Ich habe viel davon erlebt. Bei Patienten oder auch meine eigenes Leben ist nicht frei davon. Kein Leben ist frei davon.


Mit einer Patientin bin ich einmal einen längeren Weg gegangen. Immer wieder zog es sie zurück zu dem, was hätte sein können, wenn das mit ihrem Partner nicht so geendet hätte (und ja, es war absoluter Mist, was da passiert war). Immer wieder ging sie zurück zu dem, was Leid verursacht hatte. Immer wieder. Lange Zeit. Ich steuerte nicht dagegen, es hat nämlich keinen Sinn, wenn der Wind beim Segeln aus der falschen Richtung kommt, dagegen zu arbeiten. Man muss statt dessen die Segel anders setzen.

Als Folge lief es sich tot. Irgendwann sagte ihr Gehirn, es reicht! Irgendwann sagte sie in ihren Gedanken zu ihrem Ehemaligen: "Dann mach doch deinen Sch... alleine!"
Daraufhin lachte ich und sagte, sie hätte gerade den Durchbruch zu einer sehr effektiven Therapieform geschafft; und als sie mich fragend ansah, fügte ich hinzu:

"Das ist wissenschaftlich betrachtet die sogenannte "Sch...-egal-Therapie!"

Worauf auch sie in Lachen ausbrach.


Das ist es, was ich meine! Es war auch Bud Spencers Lebensmotto

Nach seiner Lebensphilosophie gefragt, antwortete er in einem Interview:

Futtetènne
Was im Neapolitanischen so viel heisst wie "Scheiß drauf", wenn etwas gehörig schiefgeht. Wie gesagt, ich habs in einem seiner Nachrufe gelesen


Und es ist wirklich so. Wir kleben oft zu sehr am Negativen. Statt wie bei der "Sch-Egal-Therapie" zusammen mit Bud zu sagen: "Futtetènne", holen wir uns das Belastende immer wieder her, obwohl die Ereignisse dazu oft schon längst vergangen sind. Bei manchen schon seit Jahrzehnten. Trotzdem kauen wir es immer wieder neu durch.
Besonders versierte Wiederkäuer nehmen das dann als Anlass, zu behaupten, dass es eben alles so furchtbar ist, und wehe, jemand sagt irgend etwas anderes.

Leben kann nur vorwärts gelebt werden

Viele meinen, wenn ich mein Problem erst los bin, dann kann ich ein gutes Leben führen. In der Regel ist das ein Irrtum. Tatsächlich ist es oft so, dass wir ein gutes Leben führen können, mit unserem Problem.
Was immer uns widerfährt, wir werden es nie ungeschehen machen können. Es nutzt also gar nichts, wenn wir dagegen ankämpfen. Die Vergangenheit lässt sich nie ändern. Es bringt deshalb nichts, immer wieder die selben Schleifen in der Psychotherapie mit den Patienten zu drehen.

Was wirklich fundamental ist für eine Lösung

Wir können uns selbst dazu verpflichten, ob die Widerfahrnisse unser Leben bestimmen oder ob wir uns einen Freiraum und eine Distanz in uns zu dem, was uns begegnet, gestalten und erhalten.
Das meint Commitment. Wie das konket geht, na ja, das erfahren die Leute in meiner Praxis.


Die Art des Sterbens von Bud Spencer bezeugt es

"Mach Platz, ich bin der Landvogt!" heisst mit anderen Worten nur: "Geh beiseite, ich muss mein Leben leben!". Genau so scheint Bud Spencer es selber auch gemacht zu haben. Wie seine Familie, in deren Beisein er gestorben ist, vermeldete, sei sein letztes Wort "Danke" gewesen. Ein besseres Resumée für sein Leben kann niemand ziehen. Hier die Quelle:


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